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Autofahrer verweigern E10

Problematischer Bio-Sprit

Die Einführung des Bio-Sprits E10 entwickelt sich zum Flop. Viele Autofahrer wollen den neuen Sprit nicht tanken. Ölfirmen, Autoindustrie, Politiker und ADAC machen sich gegenseitig für das Desaster verantwortlich.

Der neue Kraftstoff \Der neue Kraftstoff \"Super E10\" enthält bis zu 10 Prozent Bioethanol, weshalb Autofahrer aufgerufen werden, zuerst die Verträglichkeit des Sprits mit ihrem Motor zu überprüfen.

Berlin/Hamburg

Die Autofahrer machen der Politik und den Ölkonzernen einen dicken Strich durch die Rechnung: Bisher sind die Verbraucher überwiegend nicht bereit, den neuen Bio-Kraftstoff E10 mit zehn Prozent Ethanol zu tanken, entgegen den Plänen von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Das bringt gleich eine ganze Reihe von Schwierigkeiten mit sich.

Der neue Kraftstoff "Super E10" enthält bis zu 10 Prozent Bioethanol, weshalb Autofahrer aufgerufen werden, zuerst die Verträglichkeit des Sprits mit ihrem Motor zu überprüfen.
Quelle: dpa

Nach den Erfahrungen der Mineralölfirmen an ihren Tankstellen ist ein Teil der Kunden schlicht verunsichert und weiß nicht, ob das eigene Auto den neuen Kraftstoff verträgt. Rund drei Millionen Autos in Deutschland dürfen kein E10 tanken, oder sie gehen sofort kaputt. Ein weiterer Teil der Kunden will den neuen Sprit aus Pflanzen einfach nicht: Er ist qualitativ schlechter als Benzin aus fossilem Öl, enthält weniger Energie und mindert die Fahrleistung gegenüber 98-Oktan-Benzin um zwei bis drei Prozent.
Die Winterware muss bis April raus

Am Wochenende schlug die Mineralölbranche Alarm. Rund 70 Prozent der Autofahrer, die E10 tanken könnten, füllten lieber Super Plus mit 98 Oktan in ihren Tank. Damit zahlen sie für eine Tankfüllung bis zu fünf Euro mehr. Dieser Preisnachteil wird durch höhere Fahrleistung zum Teil wieder ausgeglichen. Die Ölfirmen sagen es nicht öffentlich, aber hinter den Kulissen wächst langsam Panik: Die Raffinerien haben große Mengen E10-Benzin produziert, das sich jetzt nicht wie erwartet absetzen lässt. Die Tanklager sind voll davon. Der Stoff lässt sich nicht exportieren und er muss bald verkauft werden, denn es handelt sich um Winterware, die nur noch bis April die Anforderungen erfüllt.
Weil die Autofahrer nunmehr 98-Oktan-Benzin mit nur fünf Prozent Ethanol nachfragen, kommt die Branche ebenfalls unter Druck. Bislang entfiel rund 95 Prozent des Benzinabsatzes in Deutschland auf Super; Super Plus mit 98 Oktan ist eine Nischensorte. Darauf ist die gesamte Logistik ausgelegt, von der Produktion in den Raffinerien bis zur Größe der Tanks in den Tankstellen. Die Produktion kann auch nicht beliebig ausgeweitet werden: Aus technischen Gründen kann eine Raffinerie maximal 15 bis 20 Prozent 98-Oktan-Benzin herstellen. Und weil die Tanks an den Tankstellen zu klein sind, müssen sie mehrmals täglich angefahren werden, was hohe Kosten verursacht.

Folge: Die Versorgung mit Super Plus ist nicht mehr sicher. Es wird eng.
Pokern mit Verhinderungspreisen

„Die Ölkonzerne setzen jetzt auf einen Verhinderungspreis“, sagt Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst EID in Hamburg. Der Unterschied zwischen E10 und Super Plus beträgt stellenweise acht Cent je Liter. Dafür hat sich die Branche mehrfach massive Kritik von Umweltminister Röttgen und der Autofahrer-Lobby vom ADAC eingefangen. „Es war immer klar, dass die Einführung von E10 nicht zur Benachteiligung jener Autofahrer führen darf, deren Fahrzeuge den Kraftstoff nicht vertragen“, sagte Röttgen in der „ADAC-Motorwelt“. Für ihn bedeute dies, dass Tankstellen Super E5 etwa fünf bis acht Cent billiger anbieten müssten als Super Plus.
Daraufhin platzte der Ölbranche der Kragen. „Uns reicht es“, sagt Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV). „Wir sind gezwungen, die Biokraftstoffpolitik des Umweltministers umzusetzen und wir setzen alle Anstrengungen daran,
trotz der offensichtlichen Abneigung der Kunden.“ Röttgen solle sich klar dazu bekennen, dass anspruchsvolle Biokraftstoffziele auch höhere Preise für den Verbraucher bedeuteten. Die Ölbranche muss 6,25 Prozent ihres Kraftstoffes (gemessen am Energieinhalt) aus pflanzlicher Produktion verkaufen, sonst drohen hohe Strafen. Das schaffen sie aber nur, wenn die Autofahrer E10 als Standardkraftstoff akzeptieren: „Wir sind zum Erfolg von E10 verdammt“, sagt ein
Mineralölmanager.
 

Das Umweltministerium und der ADAC sehen die Ölkonzerne in der Pflicht, die Autofahrer besser zu informieren. Die jedoch reichen diese Anforderung weiter an die Autoindustrie, weil nur der Hersteller eines Autos darüber Auskunft geben könne, welchen Sprit es verträgt. Der ADAC habe zudem auch keine hilfreiche Rolle gespielt, sondern sich darauf beschränkt, auf die Mineralölfirmen einzudreschen, heißt es beim MWV. So sind alle aufeinander sauer. Der Autofahrer kann sehen, wie er zurechtkommt.